Die Architekturqualität in Graz (10.2010)

Aus der Serie: Kreative, Stadt, Entwicklung  Ι 2013 Nr.13

Im Spannungsfeld zwischen Gestaltung, sozialem Umfeld und bauphysikalischer Herausforderung bewegten sich hochkarätige ExpertInnen auf Einladung der Stadt Graz. Inmitten der roten Klammer, die das angebliche neue Kreativviertel rund um die Jakoministraße zusammenhalten soll, hat die Stadt einen sogenannten „Club Zukunft“ zum Thema der Architektur ausgerufen.

Bei Moderation, Personal und Buffet hat sich die Stadt ebenso wenig lumpen lassen wie bei professoraler und praxisnaher Expertise am Podium. Aber es ging ja auch um was, schließlich sei Architektur nicht nur Bauen, wurde im Einladungstext propagiert, sondern Architektur vermittele vieles mehr: Funktion, Energie und Lebensraum samt Erforschung neuer Materialien, möglicher zukünftiger Formen und den dabei entstehenden Kosten. Trotz dieses etwas ungenauen Veranstaltungskonzepts, nämlich von der ganzen Welt bis zum Wärmedämmungsdetail und trotz eines Moderators im Stile einer Privatfernsehtalkshow, wurde von den ExpertInnnen alles gesagt an diesem Abend: Was Stadt, Architektur, Ökologie und Lebenswelt unter den ökonomischen Rahmenbedingungen von heute sein können – und müssen.

Mir persönlich waren und sind diese Inhalte weitgehend bekannt, genauso wie die Damen und die Herren am Podium. Daher hatte ich Zeit zum Sinnieren und plötzlich fiel mir etwas auf: Es war kein einziger offizieller Vertreter der Stadt anwesend! Keine Vertreterin der hohen Politik oder Verwaltung, die für Ressort und Einladung verantwortlich zeichneten, kein Vertreter der hohen Politik oder Verwaltung, die in diesem erheblichen Themenkomplex eine Verantwortung hätten. Natürlich auch nicht unser Herr Bürgermeister, der dazu als Stadtoberhaupt, als Planungsreferent und als Parteifreund des Veranstalterressorts sogar mehrfach berufen wäre. Interessant, dachte ich, so eine Party, wo die Gastgeber nicht da sind, und sinnierte weiter, was wohl der Grund dafür sein könnte. Keine Lust an der eigenen Party, ja nicht einmal die eigens geladenen Gäste persönlich zu begrüßen, das ist ja schon ein starkes Stück. Weil man/frau nicht hören will, was Architekturqualität in Graz überhaupt ist? Oder weil man/frau die Architekturqualität in Graz nicht so sonderlich ernst nimmt? Oder vielleicht, weil man/frau gar nicht versteht, wie Architekturqualität entsteht? Oder schlussendlich gar, weil man/frau nicht hören will, wie sie eine mögliche Architekturqualität in Graz durch ihr Tun oder besser Nicht-Tun ständig verhindern und vereiteln?

Da fiel sie mir wie Schuppen von den Augen, die Erklärung zur Bankrotterklärung: Es gibt schlichtweg keine einzige relevante Position in der hohen Politik oder Verwaltung dieser Stadt, die das Thema Architekturqualität in Graz kompetent ausfüllen kann.

 

Harald Saiko
in Korso – stadtFORUM, Fünfzehnmal Stadt, Juni 2013
aus der Serie: Kreative, Stadt, Entwicklung  Ι 2013 Nr.13


Architekt DI Harald Saiko
Geboren und aufgewachsen in Graz, Studium in Graz und Paris, führt ein Büro für Architektur.Stadt.Kultur in Graz, Wien und Timisoara.

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