Es grünt so grün (04.2009)

Aus der Serie: Kreative, Stadt, Entwicklung │ 2009 Nr.11
 
Der Frühling zieht ins Land und auch die Stadt wird wieder grün. Graz ist dann besonders grün, nicht erst seit der letzten Wahl. Im historischen Kern diesseits und jenseits der Mur haben engagierte BürgerInnen und mutige Politik großzügige Parkanlagen initiiert und umgesetzt.
 
Freilich, das ist schon urlange her, aber Schlossberg und Stadtpark sind immer noch das grüne Herz der Stadt, Augarten und Volksgarten sind zeitlos beliebte grüne Oasen links und rechts der Mur. Im Stile typischer urbaner Landschaftsparks des 19. Jahrhunderts geplant, zeugen diese Parkanlagen von einer ehemals hohen „Baukultur“ in Graz. Schaut man in die Zone rund um den historischen Kern, finden sich ausgedehnte Grünräume vor allem in den großen Innenhöfen und anderen Zwischenräumen wie etwa Straßenalleen, Vorgärten, Baulücken oder Grünflächen rund um Schulen und Kindergärten bis hin zur übriggebliebenen Kleinkeusche da oder dort.
 
Egal ob in den geschlossenen Gründerzeitviertel von 8010 oder den heterogeneren Gegenden von 8020, die Durchsetzung mit Grün von der Wiese bis zum hochwüchsigen Baumbestand ist enorm. Verglichen mit Gründerzeitviertel in Wien, Berlin oder gar Paris, wo die Häuser oft nur in kleine Lichthöfe schauen, ist dieses Grün in Graz luxuriös. Geht man von diesen Stadtteilen noch weiter hinaus, ob nach Maria Grün, Richtung Eggenberg, nach Liebenau oder etwa Richtung St. Peter, so ist Graz sowieso nur mehr grün. Denn bei allem Druck zur autogerechten Versiegelung bleiben immer noch ausgedehnte Grünflächen auf den Parzellen der dort herrschenden Zersiedelung – auch wenn diese meistens privat bleiben. Wer ein Luftbild von Graz betrachtet, dem wird das grün auf weiß bewiesen. Also alles eitel Wonne, es gibt sie doch, die grüne Welle in Graz? Mitnichten, wie wäre es sonst erklärbar, dass kaum eine Woche vergeht, wo nicht ein öffentlicher Streit über einen Baum da oder die umzuwidmende Wiese dort entbrennt. Ganz zu schweigen von geradezu dilettantischen Versuchen der Stadt, neue öffentliche Grünräume zu schaffen.
 
Die Asphaltwüste rund und um die Messehallen, als urbaner Freiraum getarnte Kosteneinsparung, lassen für die weitere Entwicklung dort das Schlimmste befürchten. Die jahrelangen sündteuren Studien, Planungen und politischen Sitzungstermin-Selbstbeschäftigungen rund um den Plabutsch führten gerade mal zu einer bescheidenen Beschilderung oder Kinderliftmontage. Die einmalige Chance eines ganzheitlichen Naturparkes in der Großstadtregion wurde freilich nicht derpackt: Statt Zukauf und Arrondierung im öffentlichen Interesse wurden hunderte Hektar geradezu fahrlässig an einen gewiften Privaten verspielt. Gratulation an die Stadt, so hat wenigstens ein Grazer Bürger etwas von der Natur rund um den Plabutsch. Die Idee fußläufig erreichbarer Grün- und Freiräume für jeden Haushalt, die als „Grünes Netz“ im Zuge der Entwicklung des Grazer Westens initiiert und lanciert wurde, sind dort zwar konkret nirgends umgesetzt worden, dafür aber am Papier gleich flugs übers ganze Stadtgebiet ausgedehnt. „Mit diesem gesamtstädtischen Strategiepapier wird gewährleistet, dass bei punktuellen Interventionen (Bauanträge, Bebauungsplanung etc.) die funktionale Vernetzung im Stadtgefüge nicht übersehen wird.“ behauptet die Hochglanzbroschüre „Grünes Netz Graz“. Kaum zu glauben, wenn man die gelebte städtische Praxis, wie rustikale Fichtenholzzäune in den Parks oder die peinliche Vulkanlandschaft (?) am Murradweg bei der Puchstraße sieht. Man wird den Eindruck nicht los, dass der Streit um den einzelnen Baum, den kleinen Bachlauf oder einen 25m²-Vorgarten in Geidorf, so wichtig das im Detail scheinen mag, eine Art Stellvertreterkrieg auf handgreiflichem Niveau darstellt. Sind diese Alltagsdebatten Symptom einer Ohnmacht und Blindheit, die nur mehr den nächsten Baum aber längst nicht mehr den „Wald“ erkennen lässt? Wird außer mit Müh´und Not zu erhalten was es schon gibt, jemals auf kompetenten Niveau debattiert, was Freiräume und Grünräume heutzutage überhaupt sein können und müssen? Gibt es eine Aussicht darauf, daß man solche plant, errichtet, nachhaltig hegt, pflegt und für BürgerInnen verschiedener Ansprüche und Interessen nutzbar macht? Leider nein, unglaublich, aber wahr. Aber was soll´s, Gott sei dank grünt es in Graz so grün, trotz der Blüten, die uns von Politik und Verwaltung blüh´n. 
 
Harald Saiko
in Korso – stadtFORUM, Fünfzehnmal Stadt, Juni 2009
aus der Serie: Kreative, Stadt, Entwicklung │ 2009 Nr.11

Architekt DI Harald Saiko
Geboren und aufgewachsen in Graz, Architekturstudium in Graz und Paris. Gründer von SAIKO.CC als Büro für Architektur . Stadt . Kultur mit Sitz in Graz, Wien sowie Timisoara / Rumänien. Vorbereitung und Konzeption von Stadtentwicklungsprojekten wie Graz-West, Natur-Erlebnis-Park Plabutsch und Messequadrant. Lehraufträge, Forschung, eigene Publikationen und Vortragstätigkeit. Verantwortliche Funktionen in Architekturinstitutionen und Kulturpolitik.

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