Too Big To Fail (04.2010)

Aus der Serie: Kreative, Stadt, Entwicklung │ 2013 Nr.05

Wenn Unternehmen oder Geschäftspartner davon ausgehen, ein Unternehmen sei aufgrund seiner Größe vor jeder Insolvenzgefahr geschützt, schafft dies Anreize, Risiken einzugehen, die ansonsten nicht eingegangen würden. Die Marktdisziplin wird vermindert und exzessive Risikobereitschaft wird auf Kosten anderer gefördert. Das sagt sogar die liberale Ökonomie. Das ist nur menschlich und logisch, denn die Steuerzahler werden´s schon richten und das tut dann gar nicht weh.

Das heißt dann “BailOut“. Und neben dieser Erpressungssteuer ist besonders fies, dass nicht so große Unternehmen dabei ins Abseits geraten, weil sie größenbedingt nicht mit einem „Bail-Out“ rechnen können. Denn wie jeder einzelne Bürger, wie jede einzelne Bürgerin müssen sie für ihr Tun geradestehen. Sie können nur anbieten was sie wirklich und verbindlich leisten können. Fehlinvestitionen müssen sie selber wieder hereinbringen.
Anders als „The Big“ werden sie bei falschen Versprechungen, Nichterfüllung von Leistungen oder schlichtweg nur Mängeln oder Verzögerungen knallhart zur Verantwortung gezogen. Für jene, denen dieses Wort nicht so geläufig ist: Verantwortung heißt etwa, solange schuften bis die Schuld aus eigener Kraft getilgt ist. Und da fragt keiner, ob das anstrengend ist oder nicht und ob es drei, fünf oder zwanzig Jahre dauert.

Und was hat das für Kreative, Stadt, Entwicklung zu bedeuten? Viel, denn es gibt auch hier eine Form von Too Big To Fail: Wie sonst kann es sein, dass etwa seit Jahren in St. Leonhard auf Kosten der Steuerzahler herumgeplant wird, und nichts kommt dabei heraus? Neben Investitionen von dutzenden ja hunderten Millionen Euros in Baulichkeiten rund um LKH und Universität murkst die Stadt herum. Die Stiftingtalstrasse wurde verlegt, Städtebauwettbewerbe abgehalten um nur wenige Jahre später schon wieder fehl am Platz zu sein. Das jämmerliche Ambiente der Einkaufsbuden ohne Charakter und öffentlichem Raum rund um die GVB-Station hat sich keinen Deut geändert. Soll so ein Stadtteilzentrum an einer Stadteinfahrt von Graz aussehen? Soll so der kommunale Beitrag zu einem Gesundheits- und Forschungszentrum dieser Dimension aussehen?

Soll so die Stadtgestalt des künftigen Universtitätscampus aussehen, der bisher so urban und lebendig zwischen Harrachgasse und Unikreisverkehr funktioniert hat? Eine vertane Chance der Stadtplanung, eine geradezu fahrlässige Unterlassung angesichts der Rieseninvestments rund um den LKH-Eingang. Das ist nur ein Beispiel unter vielen, wenn auch ein Unbemerktes. Too Big To See? Andere kommen auffälliger daher, siehe die Diskussion um den Ankauf des Reininghausgeländes. Warum haben die angeblichen Investoren nicht längst gekauft, wenn sie sich angeblich schon anstellen? Nicht dass eine Entwicklung dort für Graz schlecht wäre, aber die Gesamtrechnung wäre doch interessant zu kennen, wie hoch ist der Gewinn für Graz? Too Big To Calculate?

Nun gibt es sogar eine neue Website über Stadtentwicklung in Graz. Vieles wird dort angekündigt, was längst state-of-the-art wäre. So manches, was irgendwie damit zusammenhängt, wurde auch abgespeichert. Einiges, was wichtig wäre, kommt nicht vor. Aber wer des Faches kundig ist, sieht sowieso nur ein Sammelsurium von Worten und Bildchen, aber wenig Realisierbares für die Stadt. Too Big To Believe? Wer will, kann Ideen, Projekte und Planungen der Stadt in das Missverhältnis zu den konkreten Ergebnissen setzen, die den BürgerInnen, Unternehmen oder Vereinen nutzbar werden. Der Wirkungsgrad verbrauchter Energie von Zeit und Engagement, die da von oben herab verheizt wird, erinnert an ein veraltetes Kohlekraftwerkkombinat. Und Tag für Tag und Jahr für Jahr steigt die Zeche, die Politik und Verwaltung scheinbar verantworten aber in Wirklichkeit andere zahlen müssen. Too Big To Fail. Wenn Politik oder Verwaltung davon ausgehen, eine Stadt sei aufgrund ihrer Größe vor jeder Insolvenzgefahr geschützt, dann schafft dies Anreize um Risiken einzugehen, die sie ansonsten nie eingehen würden. Und könnten. Und dürften. Too Big To Graz.

 

Harald Saiko
in Korso – stadtFORUM, Fünfzehnmal Stadt, Juni 2013
aus der Serie: Kreative, Stadt, Entwicklung │ 2013 Nr.05


Architekt DI Harald Saiko
Geboren und aufgewachsen in Graz, Studium in Graz und Paris, führt ein Büro für Architektur.Stadt.Kultur in Graz, Wien und Timisoara.

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