Stadt ohne Auto (06.2009)

Aus der Serie: Kreative, Stadt, Entwicklung │ 2013 Nr.04

Eines vorweg: Man möge mir nicht unterstellen, eine grundsätzliche Aversion gegen das Auto oder gar Neid gegenüber Autobesitzern zu haben. Im Gegenteil, bin ich doch Besitzer von gleich zwei Blechkarossen: Beide sind schwarz, beide italienischer Herkunft jener Marke, die man Individualisten zuschreibt und beide sind mit satter dreistelliger PS-Anzahl und Geschwindigkeiten jenseits der 220km/h zugelassen. Standesgemäß gehören sowohl mein zweisitzige Cabrio wie auch der familiengerechte Kombi wohl zum Schönsten und Gelungensten, was Autodesign derzeit zu bieten hat. Kleiner Luxus, feine Kultobjekte, basta.

Aber zu sehen sind diese beiden Autos selten, stehen sie doch unter der Erde, unsichtbar unter etlichen Mietwohnungen, selbstredend nicht im öffentlichen Raum. Denn brauchen tu ich sie eigentlich nicht. Ich wohne in der Stadt und gehe zu Fuß überall hin, egal ob ins Büro oder in die Altstadt. Für die – lächerlich – weiten Wege in Graz nehme ich das Fahrrad oder die Bim, was sonst. Nach Wien fahre ich fast jede Woche mit dem Zug, stressfrei mit Zeitung, Buch, Laptop und der U6.

Freilich, ein bisserl mehr könnte man für unsereins schon tun: Die ÖBB ins 21. Jhdt bringen etwa, sodass der Kinderwagen einen Platz hat und die Kaffeemaschine nicht so oft ausfällt. Oder den Pinsel auspacken und in der Stadt mehr Radspuren und Bikeboxen aufmalen. Oder für die Fußgänger die Gehsteige verbreitern, auf Kosten der Fahrbahn natürlich. Oder überhaupt viele Shared-Spaces einführen, sodass alle gleichberechtigt den öffentlichen Verkehrsraum nutzen dürfen. Oder in lauter fesche Niederflurstrassenbahnen auf eigenen Gleiskörpern umrüsten, die flott die Autos überholen. Weil eigentlich braucht doch kein vernünftiger Mensch ein Auto, einige wenige Berufsfahrer ausgenommen. Täglich aus den Suburbs pendeln, Kinder herumführen und per Anno 300-400 Stunden im Auto sitzen ist doch absurd, bei einem gesetzlichen Urlaubsanspruch von 200 Stunden. Fünfmal am Lendplatz kreisen zum Parkplatz suchen, da hat man/frau in der Scherbe schon ein gemütliches Makava getrunken. Nach dem dritten Achterl wegen Alkohol am Steuer nix mehr bestellen - total uncool in der Innenstadt. In der heißen Kiste sitzen, ohne sehen und gesehen werden und nicht an den Gastgärten und Auslagen vorbei flanieren - selten dämlich in der Stadt. Vom Büro zum Termin und gleich zur Vernissage und dann noch schnell ins Theater und dann noch ins Restaurant – mit dem Auto samt Parkplatzsuche ein Gräuel, gemessen an den kurzen Wegen in Graz.

Wer so mit dem Auto fährt, versaut sich einfach selbst das Leben - und uns allen die Stadt.

 

Harald Saiko
in Korso – stadtFORUM, Fünfzehnmal Stadt, Juni 2013
aus der Serie: Kreative, Stadt, Entwicklung │ 2013 Nr.04

Architekt DI Harald Saiko
Geboren und aufgewachsen in Graz, Studium in Graz und Paris, Büro für Architektur. Stadt. Kultur in Graz, Wien, Timisoara / WWW.SAIKO.CC

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