Trostlos, Trost und los! (07.2010)

Aus der Serie: Kreative, Stadt, Entwicklung Ι 2013 Nr.11

Kürzlich eines Donnerstags im Kunsthauscafe um 18.30 war es wieder einmal da: Das Gefühl der Leere und Trostlosigkeit in meiner Heimatstadt, nämlich als allereinzigster Gast da drin zu sitzen um wenig später von der Sperrstunde zu erfahren.

Nicht dass es mir schmeicheln würde, in so einem prominenten Raum, mit soviel Glas, teurem Gestuhle und feinster Schleiflackbar ganz alleine im bedienten Mittelpunkt zu stehen. Auch nicht, dass ich schadenfroh dem Abgesang dieses repräsentativen Ortes inmitten sitze. Nein, es erfüllt mich mit Trauer und Wut zu sehen, wie soviel Chance und Geld vermurkst werden, wohl wissend und wohl kennend, welch lebendige Cafés es als urbane Treffpunkte des Diskurses in jedem vergleichbaren europäischen Kunsttempel gibt. Freilich, an uns Stadtbewohnern liegt das nicht, wie die belebten Lokale dieser Meile von Tribeka über Scherbe bis zum Park beweisen. Ein Trost, und los: Da wird diskutiert und politisiert, gemauschelt und ge-checkt, getratscht und gescherzt, genossen und geflirtet was das Zeug hält. Nicht viel besser, nicht viel später, beim Künstlertreff im Orpheum: Halbleer und ohne Stimmung. Ohne Pflichtbesucher wie etwa Leiterinnen der zahlreichen Abteilungen, Sekretäre und Günstlinge der Landeskultur: Eher ganz leer. In Ihrer Ansprache blieb die Kulturlandesrätin sympathisch bescheiden, was angesichts der herrschenden Trostlosigkeit zwar glaubhaft rüber kam, aber halt blutleer. Immerhin, eine integere Selbsteinschätzung nicht vorhandener bis nicht möglicher Kulturpolitik, wie es ein Kulturstadtrat Riedler in zwei Jahren nicht zusammengebracht hat. Ach ja, in Graz ist sowieso „Flasche leer“. Die Umstände der Ab- und Neubestellung eines Kulturstadtrats in Graz übertreffen alle bisherige Trostlosigkeit, wurde in diesen umnachteten Überlegungen doch kein einziger Gedanke an die Möglichkeit der fachlichen Ausfüllung dieses Ressorts verschwendet. Aber kleiner Trost, immerhin hat man sich eine Nachdenkpause bis zum Herbst gegönnt und es kann sowieso nur mehr besser werden. Trostlos sind aber auch die betroffenen Kreativen, die gar nicht mehr erwarten, echte Chancen zu haben. Eine starke Identität entsteht so nicht. Eher scheinen sie sich längst damit abgefunden haben, das Winden durch Türen und Schlitze zu den politischen Büros als hauptsächliche Überlebensstrategie zu erlernen. Praktisch, so muss die Kulturpolitik ihr Verhalten gar nicht ändern. Eine Revolte gegen diese Trostlosigkeit aber sähe anders aus:

Eine Revolte mit Urgency, Dringlichkeit, Eindringlichkeit, jedenfalls als das Gegenteil von Unverbindlichkeit. Wie im alten Punk, militant, hart, zornig und „Damn´ right“ müsste die Revolte sein. Zumindest ein Strohhalm raus aus den Tümpeln der Kunst, die mittlerweile zu goldenen Badewannen der Kultur- und Kreativwirtschaft wurden. Noch einmal alles zusammenhaltend, ohne Moden und Sparten, keine Collage aus hunderterlei Designerideen, sondern der Anspruch, in der Mitte durchzuwollen, notfalls mit dem Kopf durch die Wand. Als die letzte Gang in der Stadt, die letzten zornigen jungen Männer, gekommen aus dem zornigen Unterholz einer ehemals kosmopolitischen Stadt.

Auch wenn hier, einst in den wilden 80ern, der junge Wolfgang Kos über das Meisterwerk „London Calling“ von The Clash spricht, ist es nicht aktueller denn je? Trost jedenfalls. Und los geht´s also. Denn irgendjemand in dieser Stadt muss ja für Kunst und Kultur, für Kreative, Stadt, Entwicklung arbeiten. Man kann Graz ja nicht einfach aufgeben.


Harald Saiko
in Korso – stadtFORUM, Fünfzehnmal Stadt, Juni 2013
aus der Serie: Kreative, Stadt, Entwicklung │ 2013 Nr.11

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