Ist da jemand? (09.2009)

Aus der Serie: Kreative, Stadt, Entwicklung │ 2013 Nr.02

Es wird immer schlimmer" in Österreich, meinte Martin Kusej kürzlich in einem Interview, wo er feststellt, daß das Niveau in allen Bereichen sinkt: "In der Sozialpolitik, im ORF, in der Bildung, alles wird flächendeckend heruntergeschraubt. Wie soll es auch anders sein beim Niveau unserer Politiker?" Daß er betont, seine Kritik komme "aus einem Gefühl der Verzweiflung darüber" ist zu beachten und auch Motivation dieser Kolumne. Und er dürfte damit leider sehr recht haben.

Nicht nur im Staate oder im Lande, auch im öffentlichen Graz ist dies zu beobachten. Wer erinnert sich noch an die berühmte Grazer „Magistratsreform“ vor wenigen Jahren? Wieviele Abläufe wurden nicht teuer evaluiert, Aktenwegen wie im Krimi nachgespürt, Strukturorganigramme gemalt? Längst alles Humbug, vom Abläufe straffen keine Spur und von politischer Kultur keine Rede mehr. Die Zerteilung der Abteilungen, Referate und Ressorts kreuz und quer nach parteipolitischer und persönlicher Raison feiert fröhlichere Urständ als davor. Das gilt genauso für Stadtentwicklung, Verkehr, Grünräume bis zu den Bauverfahren. Wie kann es sonst sein, daß eine längst fällige Evaluierung über die Zustände am Bauamt derart verzögert und verschlossen behandelt wird? Man kann nur ein desaströses Ergebnis dahinter vermuten. Aufklärung statt Vernebelung wäre an der Zeit, freilich, den Mut dazu hat niemand.

Wie kann es sein, daß die neuerliche Suche eines Stadtplanungschefs still und heimlich, unbemerkt und vernachlässigt dahinsiecht? Freilich, das erst vor wenigen Jahren inszenierte beispiellose Provinztheater eines ins Amt gehievten genehmen Landesbeamten fördert nicht gerade das Vertrauen in derartige Verfahren. Und der Abgesang seiner kurzen Amtszeit seither ergibt den Rest. Erneuerung statt Fortführung wären gefragt, aber das Gegenteil ist der kommunalpolitische Regelfall. Eine verbindliche Verantwortung gibt es kaum und so verkommen Aufgaben öffentlichen Interesses zum (partei-)politischen Steckenpferd, also einem Spielzeug. Langfristige und komplexe Aufgaben wie Gebietsbetreuungen oder bezogene Stadtteilentwicklungen sind so real nicht durchführbar, auch wenn bemühte NeupolitikerInnen das nicht gerne hören werden. Denn Schachspielen ohne Brett und Figuren ist wahrlich schwierig, nicht einmal Mensch-ärgere-Dich-nicht kann man ohne die bunten Manderln, eine Unterlage mit der Richtungsangabe und einem Würfel zur Festlegung des Fortkommens spielen.

Die herrschende Medienlandschaft leistet brav den Stiefelknecht zu den tagespolitischen Ausritten, auch wenn sie sich ganz anders, sicher besser fühlt. Komplexe Themen verständlich darzustellen ist nicht mehr drin, dafür gibt’s provinzielles Hinhaun oder Streicheln, je nach Medienpartnerschaft und Geschicklichkeit der politischen Vorzimmer. Tja, Analyse statt Infotainment wäre ein Traum und Tiefenschärfe statt Oberflächenpolitur das freudige Aufwachen. Last but not least bliebe es noch an der Zivilbürgerschaft und Fachwelt, ein öffentliches Dialogforum zur Situation durch Rede und Schrift zu erzwingen. Und damit meine ich nicht das nette Zusammensitzen diverser Celebreties, um in einem gespielten Stadtforum über eine fiktive Zukunft zu schwadronieren.

Abgestoßen von diesen lokalen Realitäten ziehen sich die Eliten zurück, in sich selbst oder auch woandershin. Auseinandersetzung statt Kritiklosigkeit wäre auch hier gefragt. Freilich, einen öffentlichen Auftrag, ein Mandat oder gar ein monatliches Gehalt gibt es für jene nicht, das bissl Debatte sitzen Politik und Verwaltung also schon aus. Aber wie sagte schon Werner Schwab: „Wenn Elite irgendeine Funktion hat, dann die der indirekten Doch-Beeinflussung von Politik und Kunst. ... Denn alle Dinge, die differenziert nicht abgehandelt werden, kommen später vulgär zurück.“ Im Gegensatz zu einem Stück von Werner Schwab, womöglich noch von Martin Kusej inszeniert, werden wir dabei aber nichts zu lachen haben.

 

Harald Saiko
in Korso – stadtFORUM, Fünfzehnmal Stadt, Juni 2013
aus der Serie: Kreative, Stadt, Entwicklung │ 2013 Nr.02


Architekt DI Harald Saiko
Geboren und aufgewachsen in Graz, Studium in Graz und Paris, Büro für Architektur.Stadt.Kultur in Graz, Wien, Timisoara / WWW.SAIKO.CC

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