Perfekte Location - Motivation und Idee

Das vorliegende Thema der Veränderungen des Wertes von Architektur entspringt einem scheinbar paradoxen Phänomen: Während vielerorts konstatiert wird, es gäbe eine Krise des Berufsstandes der Architekten und deren Leistung verliere an Wert, könnte gleichzeitig aufgrund einer ungeahnten globalen Bilderflut eine Renaissance von neuen Architekturen vermutet werden. Als Symbol dieser neuen Anerkennung von zeitgenössischer Architektur dient nicht zuletzt das junge Zeitgeistmagazin „Wallpaper“, welches anerkannte Architekturen vorstellt aber auch ganze Berichte über Reisen, Mode usw. quasi in „architektonische“ Bühnenbilder verpackt. Der Umstand von Architektur als Rahmen menschlichen Handelns wäre dem Grundsatz nach nicht so neu, man vergleiche hier nur Ken Adam, der dieses Thema in den 60ern für die Welten des James Bond und vor allem seiner Gegenspieler auf den Punkt gebracht hat: Ken Adam wurde als ausgebildeter Architekt zum Bühnenbildner großartiger Architekturen, der als universeller Creator gleich auch schiessende Kugelschreiber und fliegende Rucksäcke entwarf. Diesem Erfolg liegt also ein traditionelles Berufsbild eines Kreativen sowie eine aufwändige elitäre Produktion zugrunde.

Demgegenüber kann den heutigen Bilderwelten eine derartige Einzigartigkeit nicht mehr zugeordnet werden, sodaß der populäre Erfolg der dargestellten Kombinationen von Lebensstilen und gestalteten Hintergründen fasziniert, zumal  eindeutige Autoren diesen monatlichen Darstellungsserien meist nicht zuordenbar sind.
Betrachtet man also die eingangs erwähnten Lifestylesettings in Wallpaper, so verweisen deren beschriebene Merkmale auf weitere populäre Gestaltungen unserer Zeit: Die Welten der Musikvideos oder Computerspiele, der Fernsehstudios mit ihren bespielten Bluescreens oder zusammengezimmerten Seifenopernbühnen, der Inszenierungen in Shopping-Malls bis hin zum Design-Hotel und letztendlich dem endlos variierten Produkt des trauten Heimes.
Derart generierte Architektur spielt also offensichtlich eine wesentliche Rolle bei der Wertbildung der heutigen User, den Konsumenten. Ihre Akzeptanz lässt sich dabei von Seiten der "ProduzentInnen" mit einer ansonsten in der Architektur nicht existierenden Geschwindigkeit abfragen. Die dabei entstehende Wechselwirkung entwickelt eine Eigendynamik, deren  Ergebnis nicht vorhersagbar ist und sich oft gängiger Eingriffsmöglichkeiten entzieht, beziehungsweise der linearen Abfolge von Bedarf, Idee, Umsetzung widersetzt.

Betrachtet man die Beispiele von Ambiente für verschiedenste – dargestellte - Lebenssituationen in ihrer konkreten Erscheinungsform, wird schnell klar, daß sie außerdem keine ähnliche Ästhetik im herkömmlichen gestalterischen Sinne oder gar ein Stil verbindet. Ihnen gemeinsam ist höchstens der Versuch, für die jeweilige Bespielung eine möglichst perfekte Inszenierung darzustellen. Folgerichtig ist diese Inszenierung nicht unbedingt an einen Ort im traditionellen Sinn gebunden, sondern je nach Bedarf lokalisiert, temporär oder virtuell generiert genauso wie in dauerhafte edle Materialien gekleidet.
Für Architekturschaffende, immer schon Gestalter von Lebenswelten ihrer jeweiligen Zeit, muss es also von Interesse sein, mittels welcher Medien und Werkzeuge derartige Gestaltungen generiert werden und worauf ihr scheinbarer Erfolg also Wert basiert. Dabei kann es nicht um ein unreflektiertes Nachvollziehen von Mechanismen gehen, um als Architekt neue Entwurfsaufgaben in anderen Bereichen zu erschließen. Sehr wohl aber ist die Frage nach den neuen Aktionsfeldern und deren Transformationen im Zuge medialer Veränderungen berechtigt um die Konstruktion der Location bewusster  Inszenierung und deren angestrebte und als solche wahrgenommene Perfektion erkennen zu können.

Die folgenden Beiträge zum Thema der Perfekten Location stellen eine Auswahl von Inhalten des gleichnamigen Symposions dar, welches zum Greifbarmachen des Phänomens wie gleichzeitig als Anstoß zum Weiterdenken dieser neuen Örtlichkeit in der Architektur konzipiert wurde.


Haus der Architektur Graz (Hrsg.)
HDA Dokumente zur Architektur 15/16
HDAX 02
Perfekte Location – Unsere Zeit ist gekommen!...Aber gleich wieder vergangen
Verlag Haus der Architektur Graz 2003

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