Baukulturreport - Strategien zum architekturpolitischen Dialog

 

Kapitel
Verankerung des Prinzips Baukultur und Bauherrenverantwortung

Statement
Strategien zum architekturpolitischen Dialog: Die dritte Säule der Architekturvermittlung und das Modell einer Plattform Architektur am Beispiel Steiermark

Kurzfassung
Seit der Gründung des Hauses der Architektur 1988 in Graz gibt es diese Art der Servicestelle für Baukultur mittlerweile in jedem Bundesland. Sie widmen sich der Architekturvermittlung an die Öffentlichkeit, der Beratung von Gebietskörperschaften, der Ausstellung von Architekturwettbewerben, der Organisation von Architekturpreisen und Exkursionen. Zusätzlich bildet etwa in der Steiermark eine „Plattform Architektur“ aus wesentlichen Architekturinstitutionen eine überparteiliche Stimme zur Baukultur (www.gat.st). Da Mitglieder dieser Plattform wie Berufsvertretung oder Hochschulen sich ebenso wie die öffentliche Verwaltung auf Kernbereiche und gesetzliche Aufträge konzentrieren müssen, steigt die Bedeutung der Häuser der Architektur als dritte Säule zur Sicherung der Baukultur.
Diese einzigartige österreichische Infrastruktur stellt eine Chance für die öffentliche Hand dar und sollte von Bund, Ländern und Gemeinden zur Sicherung der Baukultur genutzt und beauftragt werden.

Langfassung
Seit den 80er-Jahren hat Architekturvermittlung in Österreich viel Anerkennung erfahren. Damals inspirierte eine – in Wien gescheiterte – Initiative des BM Erhard Busek für ein österreichisches Architekturmuseum die steirischen Architekturinstitutionen zur Gründung des HDA - Haus der Architektur. Von 1988 an wurde diese Institution mit eigenem Veranstaltungsgebäude in Graz und laufenden Aktivitäten wichtiger Ansprechpartner und Servicestelle in allen Fragen der Baukultur.
1999 kam es in der Steiermark neuerlich zu gemeinsamen Initiativen: Vom HDA initiiert, meldeten sich die wesentlichen Architekturinstitutionen der Steiermark als „Plattform Architektur“ öffentlich zu Wort. Die Motivation war der Handlungsbedarf gegenüber Politik und Verwaltung: Durch den Reformbedarf in Stadt und Land bleiben für Agenden der Baukultur immer weniger Ressourcen. Seither bildet die „Plattform Architektur“ eine überparteiliche Stimme in allen Belangen der Baukultur und bietet diesen unter www.gat.st ein gemeinsames Schaufenster. Operativ bleibt die „Plattform Architektur“ eher passiv. Denn wesentliche Mitglieder, wie die Berufsvertretung oder die Hochschulen müssen sich ebenso wie die öffentliche Verwaltung auf ihre Kernbereiche und gesetzlichen Aufträge konzentrieren.
So steigt die Bedeutung des HDA als unabhängige Kompetenzstelle für Baukultur. Das HDA widmet sich neben der Darstellung und Vermittlung von Baukultur an die Öffentlichkeit auch der Beratung von Gebietskörperschaften, wie aktuell in einem Baukultur-Workshop der Stadt Graz. Weitere Leistungen in öffentlichem Interesse sind die Ausstellung von Architekturwettbewerben für öffentliche Bauten, die Organisation von Architekturpreisen des Landes oder die Veranstaltung von Fachexkursionen zu öffentlichen Bauten. Als Konsequenz dieser zunehmenden Übernahme öffentlicher Aufgaben ist nicht nur die Übersiedlung des HDA an einen bürgernahen Ort im Stadtzentrum fixiert, sondern sind Leistungsvereinbarungen mit dem Land Steiermark über baukulturelle Aufgaben in Vorbereitung.
Das steirische Beispiel zeigt, dass ein architekturpolitischer Dialog durch die anstehenden Veränderungen in Politik und Verwaltung nicht nur angebracht, sondern in Zukunft unvermeidlich ist. Weiters zeigt es, dass eine „Plattform Architektur“ zwar Stimme im architekturpolitischen Dialog sein kann, dass für konkrete Umsetzungen aber eine Institution erforderlich ist.
Diese unabhängige Institution gibt es in Österreich bereits: Seit den 90er-Jahren und Förderung durch BM Rudolf Scholten wird in jedem Bundesland unter verschiedenen Namen ein „Haus der Architektur“ betrieben. Als Zusammenschluss dieser selbständigen Institutionen ist die Architekturstiftung Österreich das gemeinsame Netzwerk für bundesweite Aktivitäten. So steht in Österreich neben den Berufsverbänden und den Ausbildungsstätten eine dritte Säule zur Sicherung der Baukultur zur Verfügung. Das föderalistische Prinzip, die Unabhängigkeit von Verwaltung, planenden Architekten und ausführenden Firmen, die Nähe zu den Menschen und Bauten, das gespeicherte Wissen und die Vermittlungskompetenz zeichnen diese „Häuser der Architektur“ aus. Diese einzigartige österreichische Infrastruktur stellt eine Chance für die öffentliche Hand dar und sollte von Bund, Ländern und Gemeinden zur Sicherung der Baukultur genutzt und beauftragt werden.


20.08.2006

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Biographie

Arch. DI Harald Saiko | *14.04.1967 Graz | www.saiko.ccStudium in Graz und Paris. Ab 1999 Büro für Architektur | Stadt | Kultur in Graz und Wien. Seither zeitgenössische Bauten für Wohnen und Arbeit, Projektleitung für wesentliche Stadtentwicklungen in Graz sowie Kulturentwicklung und Ausstellungskonzeptionen. Lehraufträge, Forschung und Publikationen zu Architektur und Stadt. Seit 1990 verantwortliche Funktionen in der Architekturpolitik, derzeit Kulturbeirat der Stadt Graz, Kuratoriumsvorsitz im Haus der Architektur Graz sowie Vorstand der Architekturstiftung Österreich.

 

 

 2004 erfolgte auf einstimmigen Beschluss aller Parteien die Abhaltung einer parlamentarischen Enquete zu Architekturpolitik und Baukultur im Saal des österreichischen Nationalrats im Parlamentsgebäude. Fachleute aus dem In- und Ausland gaben dabei Einblick in die unterschiedlichen Aspekte des Planens und Gestaltens und diskutieren darüber mit den Parlamentariern und Parlamentarierinnen.

 Als Ergebnis der Enquete erschien 2006 erstmals der österreichische Baukulturreport als umfassende Bestandsaufnahme. Er zeigt auf, wo baukulturrelevante Entscheidungen getroffen werden, welche Prozesse für die Verankerung von Baukultur entscheidend sind und welche Auswirkungen daraus für Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt entstehen.

Der erste österreichische Baukulturreport steht seit seiner Veröffentlichung 2006 als ungekürzte Ausgabe als online-Nachschlagewerk zur Verfügung. Die Printversion ist 500 Seiten stark und gliedert sich in sechs übersichtliche Hefte, die den jeweiligen Schwerpunkt-Themen zugeordnet sind.

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