"Sie sind nicht im Stau, Sie sind der Stau!"

Manuela Hötzl im Gespräch mit Harald Saiko

„Sie sind nicht im Stau, Sie sind der Stau!“ (Ulrich Beck)


Achtung Stau! Es gibt viele, es gibt zu viele, es gibt viele unzufriedene Architekten. Eine Bestandsaufnahme Architektur ist in der Tat kein Vergnügungsspaziergang. Aber Jammern ist auch nicht mehr angesagt. Wien und Graz setzen Initiativen: In der Steiermark beginnen gerade alle bestehenden Architekturinstitutionen sich in der „Plattform Architektur“ ein gemeinsames Forum zu schaffen und in Wien wurde gerade der Verein „ig-architektur“ (Interessensgemeinschaft Architektur) ins Leben gerufen, der die Anliegen von Architekturschaffenden fern aller sonstigen Berufsvertretungen stärken soll. Zwei Ansätze! Zwei Lösungen?

Manche werden sich vielleicht noch an das Bild Reinhard Lettaus erinnern, der in seiner Geschichte „Schwierigkeiten beim Häuserbauen“ den Baumeister nach dem geeignetsten Platz für ein Haus suchen ließ. Das wahre Ende der Schwierigkeiten“ hatte ich letztens verschwiegen, das sei aus passendem Anlass hier nachgeholt: Nachdem alle vorherigen Versuche, ein Haus zu errichten, gescheitert waren, fragen die Arbeiter: „Na, wo denn nun?“, „Hier, hier!“, ruft der Baumeister und zeigt auf eine Stelle direkt neben seinem linken Fuß. Die Arbeiter fangen an, und im Nu ist der Baumeister verschwunden. Mitten im Kamin steht der Baumeister nun, die Arbeiter hören ihn noch rufen, aber sie geraten in Verlegenheit, der Baumeister fehlt ihnen natürlich, sie werden unlustig, und bald, da seine Stimme schwächer wird, geben sie die Arbeit auf.“

Bevor diese Mauern in die Höhe gezogen sind und die Stimme der Architektur dahinter verschwindet, wird sie jetzt erst einmal erhoben. Ein paar Mauern stehen allerdings schon, die für das „Haus der Architektur“ durchaus hilfreich sein können, um nicht den Eindruck eines Kartenhauses zu vermitteln. Worum geht es? An zwei Orten in Österreich konstituieren sich Foren, die beide eines wollen: Mehr Öffentlichkeit und den Berufsstand der ArchitektInnen verbessern und stärken.

In Graz haben sich die Länderkammer, die ZV, das Haus der Architektur, die TU-Graz und das Referat für Architektur im Forum Stadtpark sowie weitere private Institutionen wie artimage entschlossen, eine „Plattform Architektur“ vorzubereiten, die gemeinsame Interessen vertreten soll. Um sich gegenseitig zu stärken statt zu konkurrieren, ist geplant, Synergien herzustellen und Informationen auszutauschen. Die Institutionen und Vereine können sich dann wieder auf ihre Kernbereiche konzentrieren und etwaigem Reform- und Profilierungsbedarf nachgehen, die „Plattform Architektur“ hingegen soll als öffentliche Stelle fungieren, die das übergeordnete gemeinsame kulturelle Anliegen nach außen transportiert. Harald Saiko, Vorstand des Hauses der Architektur und Mitbegründer der Idee, dazu: “Es gibt keinen Grund noch eine demokratisch aufgebaute Struktur zu gründen, weil alle Institutionen grundsätzlich schon demokratisch funktionieren, alle Vertreter der einzelnen Institutionen ja gewählt sind. Da muss nichts neu erfunden werden, höchstens reformiert. Außerdem gibt es ja in den bestehenden Institutionen schon Ressourcen gebunden, Geld, Infrastruktur aber auch Knowhow, sodass jede Parallelität in unserer engen Zeit kontraproduktiv wäre.“

Das mag vielleicht gerade diejenigen abschrecken, die mit diesen alten Strukturen unzufrieden sind und sich nicht durch sie vertreten fühlen. Genau darauf begründet sich in Wien die „ig-architektur“. Offen für alle, will der Verein Architekturschaffenden ein „zu Hause“ bieten und „die beruflichen Rahmenbedingungen verbessern“. Nach der Gründungsveranstaltung tun sich da in erster Linie zwei Probleme auf. Sie wollen Österreichweit agieren und gemeinsam „Dinge“ in der Öffentlichkeit durchsetzen. „Uns gibt es und das sollen alle wissen“, meldete sich eine Stimme aus dem Publikum.

Man kann aber auch zuviel wollen und sich in erster Begeisterung zuviel zumuten. Das Liberale Forum hatte die besten Vorsätze und verstrickte sich in Systemen, die dem der anderen Parteien um nichts nachstand. Nur hatten diese schon mehr Budget und mehr Erfahrung. Was besser ist, diese Frage stellt sich in diesem Fall nicht. Es muss funktionieren und die Ziele müssen durchsetzbar sein. Wenn sich die „ig-architektur“ auf ihre regionalen Probleme beschränken würde, stünden die Chancen etwas zu bewegen viel besser. Solange es die Länderkammern gibt und Situationen in jedem Bundesland so verschieden sind, würden regionale Interessen missachtet, die die Vorarlberger für sich bereits gelöst haben und die die Grazer gerade für sich zu lösen versuchen. Weiters müssten rasch Schwerpunkte gesetzt werden und Kompetenzen klar verteilt werden. Es kann nicht jedem, der bei der Tür hereinkommt, eine fundierte Meinung zugesprochen werden. Auch hat es keinen Sinn eine Arbeitsgruppe für Wettbewerbe zu initiieren, solange nebenbei gerade wichtige Entscheidungen in diversen Institutionen und Kammern getroffen werden und die Stadt Wien nicht die bestehende Wettbewerbsordnung anerkennt. Auch wenn es platt klingt, es ist nicht die Zeit der Veränderungen durch den großen Neubeginn. Langsames Abtragen, die Stimme zur rechten Zeit erheben, differenzierte Meinungsbildung ist gefragt. „Sie sind nicht im Stau, Sie sind der Stau!“ hat Ulrich Beck die Distanz des Beteiligten gut beschrieben. Wir sind alle mittendrin und dem muss man sich stellen!
Mit lauter Stimme und mit Kompetenz!

Architektur & Bauforum

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